Madonna und Kind mit der Heiligen Anna
Das religiöse Gemälde „Madonna und Kind mit der Heiligen Anna“, auch bekannt als „Madonna Palafrenieri“, ist eines der bekanntesten Werke von Michelangelo Merisi da Caravaggio. Das Werk stammt mit Sicherheit aus der Reifezeit des Künstlers – eine Entsstehungszeit in den 1605er – 1606er- Jahren ist am wahrscheinlichsten.
Historischer Hintergrund
Das Gemälde wurde konzipiert, um den Altarteil in der Kapelle der Bruderschaft Palafrenieri in der Basilika San Pietro zu schmücken. Außerdem wurde das Werk des Künstlers für kurze Zeit im Vatikan in der Pfarrkirche Santa Anna dei Palafrenieri ausgestellt. Bald darauf verzichteten die Auftraggeber auf das Gemälde. Der Grund dafür war höchstwahrscheinlich die Abweichung zwischen dem Bild der Jungfrau Maria und den traditionellen kirchlichen Normen.
Später kaufte Kardinal Scipione Borghese das Werk des Meisters und es wurde Teil der Kunstsammlung der Borghese Galerie. Die Kreation von Caravaggio gehört noch immer zur berühmten Sammlung der Fürstenfamilie, in der auch fünf weitere Gemälde des Malers ausgestellt sind, darunter „Junge mit einem Obstkorb“, „David mit dem Kopf von Goliath“, „Kranker Bacchus“, „Der heilige Hieronymus beim Schreiben“, „Johannes der Täufer in der Wüste“.
Es sind Dokumente erhalten geblieben, die das Schicksal des Gemäldes „Madonna Palafrenieri“ bezeugen. Es ist sicher bekannt, dass der Künstler am 8. April 1606 das Honorar für sein Werk erhielt. Diese Tatsache ermöglicht es, genau zu bestimmen, wann die Arbeit am Gemälde abgeschlossen wurde.
Es erscheint nicht verständlich, warum die Beamten der Päpstlichen Kurie beschlossen haben, auf das Werk von Caravaggio zu verzichten. Einer Version zufolge waren die Vertreter des Klerus der Ansicht, dass das Werk des Künstlers nicht angemessen anständig sei, so dass es nicht an einem so heiligen Ort wie einem Tempel der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden könne.
Analyse des Werks
Die Leinwand hat eine Größe von 292 x 211 cm. Das Gemälde wurde von der Bruderschaft Palafrenieri in Auftrag gegeben. Der Künstler stand vor der Aufgabe, ein sehr wichtiges theologisches Thema zu beleuchten. Dabei erscheinen die biblischen Bilder in der Interpretation von Caravaggio äußerst anthropomorph. So wird die Figur der Heiligen Anna – traditionell der Inbegriff der göttlichen Gnade – vom Meister als etwas teilnahmslos und gedankenverloren dargestellt.
Um das Bild der Jungfrau Maria zu schaffen, stand dem Maler das gleiche Modell (Kurtisane) wie auf dem Gemälde Madonna di Loreto (oder Madonna der Pilger), das der Künstler malte, um die Innenarchitektur der Kirche Sant’Agostino in Rom zu schmücken.
Zweifellos war das Muttergottesbild nach Art von einer gewöhnlichen Frau für diese Zeit äußerst untypisch. Vielleicht macht eine solche Interpretation auch heute noch einen schockierenden Eindruck bei einigen Betrachtern. Die Jungfrau Maria, die den kleinen Christus auf den Händen Hand hält, versucht zusammen mit ihrem Sohn, die Schlange mit Füßen zu treten, was den Inbegriff des Bösen und der Erbsünde symbolisiert. Die Heilige Anna, die Mutter Marias, die in der christlichen Welt mit großer Ehrfurcht behandelt wird, sieht aus wie eine alte Frau mit Falten, die teilnahmslos das Geschehene beobachtet. Die Köpfe der Figuren sind mit kaum wahrnehmbaren Lichthöfen gekrönt, deren göttliches Licht auf die Schlange fällt. Sowohl Maria als auch Christus werden barfuß dargestellt. Der Erlöser erscheint völlig nackt, seine Vorhaut ist nicht beschnitten, was der jüdischen Tradition widerspricht. Alle Objekte im Hintergrund sind in einen tiefen Schatten getaucht. Nur die beleuchteten Figuren kontrastieren scharf mit dem dunklen, düsteren Hintergrund, was sie massiv erscheinen läßt.
Wenn die Verherrlichung der Heiligen Anna als Hauptidee des Werkes gedacht wurde, erscheint es unverständlich, was genau bei einer unansehnlichen und gealterten Frau mit Falten – gerade so interpretierte Caravaggio das Mutterbild der Muttergottes – als Persönlichkeitszüge eines Kultbildes wahrgenommen werden sollte, was beim Publikum ehrfürchtige Gefühle hervorrufen soll. Giovanni Pietro Bellori, ein berühmter Kunstkritiker und Biograf italienischer Künstler des 17.
Jahrhunderts, bemerkte, dass das Korsett noch schockierender aussieht, die Brust der Jungfrau Maria unanständig festzieht und freilegt. Bei näherer Betrachtung der Figur des kleinen Christus, der Position seiner Beine, wird deutlich, dass er zusammen mit der Mutter Gottes die Schlange mit Füßen tritt, die im übertragenen Sinne den Grad ihrer Machtstellung ausgleicht.
Geheimnisse des Meisters
Dank der jüngsten Restaurationsarbeiten wurden untiefe Schnitte auf der Oberfläche der Leinwand nachgewiesen, was als kennzeichnende Besonderheit von Caravaggios Gemälden angesehen wird, eine Art Technik, die der Maler für die Erstellung seiner Werke nutzte.
Es stellte sich auch heraus, dass der Heiligenschein über dem Kopf der Jungfrau Maria ursprünglich auf der gleichen Höhe war wie der Heiligenschein der Heiligen Anna, der Patronin und Fürsprecherin der Palafrenieri-Bruderschaft. Sie wurde traditionell neben der Mutter Gottes dargestellt, in dem Moment, als sie gegen die Schlange, den Inbegriff des Bösen, kämpfte. Außerdem hat sich durch die Reinigung des Gemäldes die Helligkeit der Farbpalette erheblich erhöht – es wurde deutlich sichtbar, wie die Haut der Schlange die von oben auf sie fallenden Lichtstrahlen reflektiert.
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