David mit dem Kopf von Goliath
Das Gemälde „David mit dem Kopf von Goliath“ stammt von Michelangelo Merisi da Caravaggio. Der Maler arbeitete von Anfang 1605 bis Ende 1609-1610 an seiner Entstehung. Das Werk des Meisters wurde in die Kunstsammlung von Kardinal Scipione Borghese aufgenommen. 1650 gelangte das Gemälde in die gleichnamige Galerie der Fürstenfamilie.
Historischer Hintergrund
In dem 1672 veröffentlichten Buch von Giovanni Pietro Bellori „Das Leben zeitgenössischer Künstler, Bildhauer und Architekten“ heißt es, dass das Werk „David mit dem Kopf von Goliath“ im Auftrag von Kardinal Scipione Borghese geschaffen wurde, wobei im Gesicht der dargestellten Figur des getöteten riesigen Philister nichts weiter als Selbstporträt von Caravaggio zu erkennen ist.
Es sind Dokumente aus dem Jahr 1613 erhalten geblieben, welche die Bezahlung des Bilderrahmens bestätigen, dessen Abmessungen genau der Breite und Länge der Leinwand entsprechen. In den Manuskripten des poetischen Werkes von Scipione Francucci da Imola aus dem Jahr 1613 ist auch eine Beschreibung von Caravaggios Werk „David mit dem Kopf von Goliath“ enthalten, welches sich laut dieser Quelle zu diesem Zeitpunkt bereits in der Borghese Galerie befand.
Vor nicht langer Zeit haben einige Kunstkritiker eine interessante Version vorgelegt, nach der im Bild der jungen Heldengestalt auch die Züge des Künstlers gelesen werden. Er wird genau so dargestellt, wie Caravaggio in seiner Jugendzeit aussah. Diese Annahme erlaubt es uns, das Gemälde als doppeltes Selbstporträt zu betrachten.
Allerdings argumentieren mehrere Kunstforscher, dass zur Schaffung des Bildes des jungen biblischen Königs derselbe Darsteller posierte, von dem das Gemälde „Johannes der Täufer“ gemalt wurde. Caravaggio griff mehr als einmal bei seiner schöpferischen Arbeit auf die alttestamentliche Geschichte über den Sieg Davids über Goliath zurück. Ein ähnliches Werk wurde 1607 vom Künstler geschaffen und wird nun im Kunsthistorischen Museum in Wien aufbewahrt. Ein weiteres ähnliches Gemälde „David mit dem Kopf von Goliath“ stammt aus dem Jahr 1600. Derzeit ist diese Kreation von Caravaggio Teil der Kunstsammlung des Nationalen Prado-Museums in Madrid.
Analyse des Werks
Wahrscheinlich ließ sich der Meister von einem ähnlichen Thema inspirieren, das 1510 vom venezianischen Maler Giorgione geschaffen wurde. Dabei ist das Gemälde von Caravaggio im Unterschied zur authentischen Quelle noch dramatischer dargestellt. Ein solcher Effekt wurde dadurch erzielt, dass der abgeschlagene Kopf von Goliath nicht in einiger Entfernung liegt, sondern in der blutigen Hand Davids. Auf dem Schwert des Helden sind die Buchstaben H – AS OS zu sehen, die eine Abkürzung für die lateinische Phrase „humilitas occidit superbiam“ sind. Diese Wörter bedeuten „Demut tötet Stolz“.
David sieht besorgt aus und wird von inneren Gefühlen gequält. Er fühlt sowohl Ekel als auch Mitleid. Der Künstler beschließt, den Helden eher in Gestalt eines nachdenklichen Jungen als eines triumphalen Gewinners darzustellen. Diese Auslegung führt zu einer Art philosophischer Verbindung zwischen David und Goliath. Dieser Faden, der die beiden entgegengesetzten Kräfte vereint, wird noch deutlicher, wenn man erkennt, dass der abgeschlagene Kopf des riesigen Philisters ein Selbstporträt des Malers ist und die Figur des biblischen Königs möglicherweise vom Künstler Tommaso Salini (Mao Salini) gemalt wurde. Nach einer anderen Version posierte ein gewisser junger Mann namens Francesco Boneri, ein Lehrling des Malers, auch genannt Cecco di Caravaggio, um das Bild von David zu schaffen. Von früher Jugend an bediente er den Künstler und war als Maler in der Ausbildung in seinem Atelier. Einige Kunstforscher neigen dazu, einen sexuellen Aspekt in ihrer Beziehung zu sehen.
Das enorme Interesse an dem Gemälde entsteht nicht nur durch die Korrelation des Werkes mit der Biographie des Künstlers. Das in seinem Sinngehalt komplexe Werk hat eine tiefe allegorische Bedeutung. Die Bilder von David und Goliath verkörperten aus Sicht der christlichen Ikonographie jener Zeit den Erlöser und den Teufel sowie den Sieg des Guten über das Böse.
Ein weiteres Beispiel für ein genrebezogenes Werk ist das Gemälde „Judith mit dem Kopf des Holofernes“, das von einem Zeitgenossen von Caravaggio, Cristofano Allori, gemalt wurde. Eine der vielen Repliken des Werks schmückt die Gebäudewände des Palazzo Pitti in Florenz. Der abgeschlagene Kopf von Holofernes ist ein Selbstporträt von Allori. Allerdings kommt im Gemälde von Caravaggio etwas anderes zum Ausdruck: David ist in der Auslegung des Meisters frei von Grausamkeit. Er erlebt zutiefst den Tod seines Feindes Goliath.
Wenn das Gemälde tatsächlich als Geschenk an Kardinal Borghese, einen päpstlichen Vertreter, überlassen wurde, der das Recht hatte, Caravaggio für den von ihm begangenen Mord zu begnadigen und ihm das Leben zu schenken, dann kann die innere Qual der Heldengestalt als persönliche Erlebnisse des Künstlers, seine Reue und Fürbitte um Vergebung von schrecklichen Sünden angesehen werden.
Wann wurde das Gemälde gemalt
Streitigkeiten über das Entstehungsdatum des Werkes von Caravaggio ließen lange Zeit nicht nach. Wenn wir die Vermutung vertreten, dass dieses Werk im Auftrag von Kardinal Scipione Borghese angefertigt wurde, können wir davon ausgehen, dass das Gemälde vor 1606 gemalt wurde, als der Künstler noch in Rom lebte.
Die Einfachheit der Formen in einer lakonischen Komposition, die für die Werke von Caravaggio kennzeichnend ist, die zu der Zeit geschaffen wurden, als der Meister nach Neapel zog, läßt jedoch vermuten, dass sich das Werk „David mit dem Kopf von Goliath“ auf die Zeit der Flucht des Künstlers bezieht. Es gibt viele Hypothesen bezüglich des Entstehungsdatums des Gemäldes. Ein überzeugendes Argument für die Annahme verbindet die Ausführung des Gemäldes mit dem Mord an Ranuccio Tomassoni, den Caravaggio am 29. Mai 1606 begangen hat. Das tiefe Drama dieses Werks bestätigt diese Version.
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