Kreuzabnahme (Grablegung) von Raffael Santi
Das Gemälde Kreuzabnahme (Deposizione di Cristo), auch als Grablegung bekannt, stammt aus dem Pinsel von Raffael Santi. Der Künstler gab seinen Namen sowie das Entstehungsdatum des Werkes an: Raffael. Urbinas. MD VII. Das Werk wird also auf das Jahr 1507 datiert.
Das Gemälde ist der zentrale Teil von Baglionis Altar-Komposition (Pala Baglione), die Raffael im Auftrag einer vornehmen Dame, Atalanta Baglioni, einer Angehörigen einer alten feudalen Familie, in Erinnerung an ihren ermordeten Sohn Grifonetto anfertigte. Öl auf einer Holztafel, Maße: 179 x 174 cm.
Historischer Bezug
Die Angehörigen der alten Familie Baglioni waren im 15. und 16. Jahrhundert die eigentlichen Regenten von Perugia und den umliegenden Gebieten. Die Männer eines einflussreichen Clans waren berühmt für ihre Vorliebe für das Militär und zeigten brillante Fähigkeiten auf diesem Gebiet. Die Angehörigen des Baglioni-Clans wurden oft eingeladen, in verschiedenen Regionen des Landes zu dienen, wo sie private Söldnerarmeen anführten.
In der Nacht des 3. Juli 1500 ereignete sich in Perugia ein schreckliches Ereignis, das später als „blutig“ bezeichnet wurde. Grifonetto Baglioni ging mit einigen seiner Verwandten eine heimtückische Verschwörung ein, deren Ziel es war, alle Männer der Familie Baglioni zu töten, während sie nach einer langen luxuriösen Hochzeitsfeier friedlich schliefen, und die Macht zu ergreifen. Der italienische Historiker der Renaissance, Francesco Matarazzo, beschrieb in seinem Werk „Chroniken von Perugia“ (1492-1503) die tragischen Ereignisse, die Mitgliedern einer Adelsfamilie widerfahren sind, und wie sie das Schicksal der Stadt beeinflusst haben. Als seine Mutter, Atalanta Baglioni, von Grifonettos Beteiligung an dem Blutvergießen erfuhr, verurteilte sie ihren Sohn und weigerte sich, in ihrem Haus Schutz zu bieten. Der junge Mann wandte sich hilfesuchend an Gian Paolo (Giampaolo) Baglioni, das einflussreichste Familienmitglied, dem es gelang, das schreckliche Massaker zu überleben, indem er sich während eines Überraschungsangriffs aus dem Haus schlich. Bald wurde Atlantas Herz weicher. Nachdem sie Grifonetto vergeben hatte, wollte sie ihn treffen, fand aber ihren Sohn getötet vor. Der junge Mann starb durch Gian Paolo (Giampaolo) Baglioni selbst und sein Gefolge. Das war das tragische Ende der Blutrache von Perugia.
Einige Jahre später ersuchte Atalanta Baglioni Rafael Santi darum, ein Gemälde in Erinnerung an Grifonetto zu schaffen. Das Werk des Malers sollte die Familienkapelle in der Basilika San Francesco al Prato (Kirche des hl. Franziskus) in Perugia zieren. Es ist bekannt, dass Raffael zwei Jahre an dem Gemälde gearbeitet hat. Der kreative Vorgang war in mehrere Phasen unterteilt. Der Künstler erstellte eine Reihe vorbereitender Zeichnungen, bevor er mit dem Malen begann.
Das Werk „Kreuzabnahme“ war der letzte einer Reihe von großen Aufträgen, die Raffael in der Zeit fertigstellte, als er als junger Künstler in Perugia lebte und schuf. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte der Maler mehrere wirklich großartige Werke geschaffen, darunter das Altarbild „Krönung der Jungfrau Maria“ (auch als Oddi-Altar bekannt), das heute Teil der Schatzkammer der Vatikanischen Pinakothek ist. Diese Kreation des Meisters sollte auch das Innere der Basilika San Francesco al Prato zieren. Das Gemälde wurde von Angehörigen der einflussreichen Familie Oddi in Auftrag gegeben, die zu dieser Zeit die Hauptkonkurrenten des Baglioni-Clans waren.
Das Werk „Kreuzabnahme“ spiegelt die Herausbildung der individuellen Manier von Raffael und die kreative Reife des Künstlers wider. Das Gemälde befand sich bis 1608 in der Kirche des Hl. Franziskus. Danach wurde es von Bevollmächtigten von Kardinal Scipione Borghese, dem Neffen von Papst Paul V., beschlagnahmt.
Um den Einwohnern von Perugia nicht zu missfallen, gab der unermüdliche Kunstsammler die Anfertigung von zwei Kopien von Raffaels Gemälde in Auftrag. Eine der Kopien wurde von Giovanni Lanfranco und die andere von Giuseppe Cesari, auch bekannt als Cavalier d’Arpino, angefertigt. Das letzte Werk befindet sich noch in Perugia.
1797 wurde das Gemälde Raffaels von der französischen Regierung beschlagnahmt und nach Paris gebracht, wo es im Louvre ausgestellt wurde. Das Originalwerk „Kreuzabnahme“ befand sich 1815 wieder in der Sammlung der Borghese Galerie. Predella (eine Plattform oder Stufe, auf der ein Altar steht), hergestellt von Raffael, wurde Teil der Kunstsammlung eines der Museen im Vatikan.
Analyse des Werks
Als Raffael sein Werk voller tiefer und durchdringender Dramatik schuf, entlehnte er die kompositorische Lösung, die zuvor der Vertreter der umbrischen Malschule, Pietro Perugino, in dem Werk „Beweinung Christi“ verwendete. Das Gemälde stammt aus dem Jahr 1495 und befindet sich heute im Palazzo Pitti in Florenz.
In der Originalquelle ist der Erlöser jedoch am Boden liegend dargestellt, was typisch für die Ikonographie jener Zeit war. Rafael hat großartige Arbeit geleistet und die Gestalt jeder einzelnen Heldenfigur sorgfältig berücksichtigt. Der Künstler erstellte Zeichnungen und Entwürfe, um zu verstehen, wie die Figuren aussehen sollten.
Infolgedessen wurden in der Vorbereitungsphase zwei Kartons angefertigt (Vorzeichnungen in Kohle oder Bleistift auf Papier), durch deren Vergleich Raffael möglicherweise seine eigene Vision des zukünftigen Bildes gemacht hat.
Die Handlung basiert auf einer Szene, die entweder die Grablegung Christi oder den Moment darstellt, als sein Körper vom Kreuz herunter genommen wurde. Auch der Hintergrund des Werkes erzählt von den evangelischen Ereignissen: auf der rechten Seite sieht man den Berg Golgatha, den Ort, an dem Christus gekreuzigt wurde, und auf der linken Seite eine Höhle, in der nach biblischer Überlieferung ein Grabmal eingerichtet ist. Zwei Figuren im Vordergrund sind ohne Heiligenschein dargestellt, sie tragen den Körper des Erlösers mit einem Leinentuch (Leichentuch) eingekleidet. Kompositorisch sind ihre Figuren mit der Gestalt von Jesus Christus verbunden und bilden strenge diagonale Linien, die den Umrissen des lateinischen Buchstabens „V“ ähneln. Der junge Mann, der den Leichnam des Erlösers rechts hält, verkörpert das Bild aller jungen Männer, die einen gewaltsamen Tod erlitten haben, einschließlich Grifonetto. Das Gemälde zeigt auch die Figuren des Heiligen Johannes und Nikodemus, sie stehen etwas weiter links. Maria Magdalena erscheint in der Nähe – sie hält Christus an der Hand und richtet einen traurigen Blick auf ihren Lehrmeister.
Links im Hintergrund hat der Künstler eine weitere Figurengruppe platziert, die ein wenig losgelöst von der im Vordergrund stattfindenden Handlung wirkt.
Drei Marien (Heilige Frauen) unterstützen die Gottesmutter, die vor furchtbarer Trauer ohnmächtig wird. In ihrer Körperhaltung – der Drehung des Kopfes, der Beugung der Beine und den Falten des Kleides – liegt etwas Unnatürliches. Die Szene mit der ohnmächtigen Jungfrau Maria, die in den Evangelien-Texten keine Grundlage findet, war jedoch ein beliebtes Motiv in der Malerei der Renaissance. Diese Handlung wurde in vielen Werken bedeutender Meister dieser Zeit gefunden. Vielleicht ließ sich Raffael bei der Erstellung des Bildes der Jungfrau von dem Werk „Madonna Doni“ von Michelangelo Buonarroti inspirieren, das vermutlich einige Jahre zuvor geschaffen wurde.
Wenn man die Farbpalette analysiert, kann man nicht übersehen, mit welchem Geschick der Künstler eine Kombination aus satten roten, blauen, gelben und grünen Farben verwendet hat. Pastellfarbene Beigetöne sind überraschend subtil und gekonnt gewählt, was besonders in der Darstellung der Handfläche von Maria Magdalena, die die Hand des gekreuzigten Christus hält, sichtbar wird.
Beschreibung des Altarpolyptychons
Das Gemälde „Kreuzabnahme“, das Teil des Altarpolyptychons war, umfasste zunächst nicht nur die Mitteltafel, sondern auch daran befestigte Flügel. Das von Raffael geschaffene Werk hatte auch einen oberen Teil, der heute in der Nationalgalerie von Umbrien in Perugia aufbewahrt wird.
Auf einer der Tafeln stellt der Künstler eine Szene dar, in der Gott-Vater, von den Cherubim-Engeln verherrlicht, seinen Sohn segnet. Außerdem wurde der Mittelteil des Altarbildes durch einen mit Greifen verzierten Rahmen ergänzt. Der Maler stellte mythologische Tiere mit Kronen auf dem Kopf dar, die von kleinen geflügelten Putten gefüttert wurden. Rahmen-Fragmente sind bis heute erhalten geblieben. Im unteren Teil der Altar-Komposition wurde eine Predella angefertigt, die aus drei einfarbigen Abschnitten besteht und von christlichen Tugenden erzählt. So veranschaulichte jede der Tafeln, die an der Basis des Polyptychons befestigt waren, Hoffnung, Barmherzigkeit und Glauben.
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