Aeneas, Anchises und Ascanius
Aeneas, Anchises und Ascanius ist eine großartige Plastik, die 1618-1619 von Giovanni Lorenzo Bernini ausgeführt wurde. Die Skulpturgruppe stell eine Szene dar, die im Epos von Virgil beschrieben ist. Aeneas führt seine Familie aus dem lodernden Troja.
Historischer Bezug
Die Skulptur entstand, als der junge Meister erst 20 Jahre alt geworden war. Forscher vermuten, dass der Vater des Künstlers, Pietro, seinem Sohn bei der Arbeit am Werk half. Die bildhauerischen Kreationen von Bernini Senior, die im Manierismusstil ausgeführt wurden, erlangten großen Ruhm und Popularität. Der Auftraggeber vieler von Pietro fertiggestellter Werke war der Papst selbst.
Als Papst Paul V. die Werke von Giovanni Lorenzo Bernini sah, konnte er kaum an das Talent eines so jungen Mannes glauben.
Die Arbeit an der Skulptur „Aeneas, Anchises und Ascanius“ wurde von Kardinal Scipione Borghese in Auftrag gegeben, der für seine grenzenlose Liebe zu Kunst, Luxus und Glorifizierung der körperlichen Schönheit des menschlichen Körpers bekannt war. Laut Experten ist Berninis Skulptur von früheren Werken berühmter Meister beeinflusst. Die Marmorstatue Christi von Michelangelo Buanarroti, die die Innendekoration der Marienbasilika über Minerva (Santa Maria sopra Minerva) schmückte, diente beispielsweise als Vorbild für die Schöpfung der Figur von Aeneas.
Außerdem erinnern die Gesichtszüge, Haare und Kopfneigungen der Hauptfigur an das Bild von Johannes dem Täufer, das zuvor von Pietro Bernini geschaffen wurde. Dieses bildhauerische Werk ist in der Barberini-Kapelle in der Basilika Sant’Andrea della Valle zu sehen. Kunstkritiker sehen auch in der Skulptur des jungen Meisters Elemente und Details, die aus der Wandmalerei „Brand im Borgo“ von Raphael Santi entlehnt wurden. Die prächtigen Fresken des Künstlers befinden sich im Vatikanischen Museum.
Analyse des Werks
Die Figuren der Skulpturengruppe sind in voller Lebensgröße gefertigt und repräsentieren drei Generationen der Familie Aeneas. Laut Handlungsstrang des antiken römischen Epos verließ der trojanische Held zusammen mit seinem Vater Anchises, seinem kleinen Sohn Ascanius und seiner Frau Creusa die verbrannte Stadt.
Die Frau von Aeneas ist im Werk von Bernini nicht dargestellt. Ihr Bild erscheint nur im zweiten Buch von Virgils Heldengedicht „Aeneid“. In den Gestalten des Vaters, des Sohnes und des Enkels konzentriert sich der Ausdruck des Generationskonflikts. Dieses Thema wird oft in den Kunstbildern von Meistern vergangener Epochen angeschnitten. Auf der Schulter trägt Aeneas seinen greisen, gebrechlichen Vater Anchises, an der rechten Hand führt er seinen kleinen Sohn Ascanios. Seine Haltung ist statisch. Die gleiche Ausgewogenheit der Komposition ist im Werk von Antonio del Pollaiolo „Hercules and Antaeus“ zu bemerken. Dabei gab Leonardo eine theoretische Grundlage für die künstlerische Technik des Meisters.
In Virgils Gedicht Aeneid fehlt eine detaillierte Beschreibung, wie Aeneas seinen Vater bei der Flucht aus dem brennenden Troja trug. Bernini arbeitete an der Körperposition der Figuren und einer Komposition voller Dynamik und Bewegungssinn und verwendete dabei die Ideen bildhauerischen Werken, die zuvor von anderen Künstlern ausgeführt wurden. Als Beispiel konnte die Marmorstatue „Die Vergewaltigung der Sabinerinnen“ von Giambologna dienen.
Schutzpatron des Bildhauers
In den Bildern von Aeneas und Anchises, die die Verbundenheit der Energie der Jugend und der Weisheit des Alters verkörpern, läßt sich ein Zusammenhang mit der Persönlichkeit von Kardinal Scipione Borghese, dem Schutzpatron von Bernini, dem Neffen des Papstes, der seinen älteren Onkel unterstützte, nachvollziehen. Durch ihn gewann er politisches Gewicht und Macht.
Im 17. Jahrhundert kam es in kunstkritischen Fachkreisen zu Streitigkeiten um die Urheberschaft am Werk. Der deutsche Künstler, Historiker und Schriftsteller Joachim von Sandrart behauptete, dass die Plastik „Aeneas, Anchises und Ascanius“ das Ergebnis der gemeinsamen Arbeit von Pietro Bernini und seinem Sohn sei. Ein Zeitgenosse und Biograf des Meisters, Filippo Baldinucci, widerlegte diese Version. Dabei behauptete der Sohn des Bildhauers, Domenico Bernini, sein Vater, Giovanni Lorenzo, habe selbständig an der Skulptur gearbeitet. Kunsthistoriker haben vom späten 19. bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts nicht aufgehört, dieses Thema zu diskutieren. Die Kontroverse ließ nach, als Archivdokumente ans Licht kamen, was bestätigte, dass Giovanni Lorenzo Bernini alleine der Autor dieser Skulptur war.
Die Skulptur wurde in weißem Marmor ausgeführt. Die 2,2 Meter hohe Plastik thront auf einem 113 Zentimeter hochen Sockel.
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